Initiativgruppe Betroffener Initiativgruppe Betroffener

Unsere aktuellen Forderungen an die Bischöfe

Hier lesen Sie unsere aktuellen Forderungen an die Bischöfe zur weiteren Aufarbeitung der Missbrauchsfälle.

Aufarbeitung mit Kirche und Staat - JETZT!

Vom 27. Februar bis zum 2. März 2023 tagt die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Dresden. Dies nehmen wir zum Anlass, die Leitung des Bistums Dresden-Meißen zu einem größeren Engagement in der Aufarbeitung zu ermutigen.

Packen Sie die „heißen Eisen“ der Aufarbeitung im Bistum Dresden - Meißen an!

Was wir fordern:

Kein Verzögern, Vertuschen und Herausreden mehr. Nach 13 Jahren ist „Wir sind Lernende!“ nur noch im Zusammenhang mit „Wir sind Handelnde!“ zu akzeptieren.

Agieren statt Reagieren. Beenden Sie die Salamitaktik, nur dazu Stellung zu beziehen, was die Medien in die Öffentlichkeit bringen.

Übernehmen Sie als Bischof Verantwortung und Führung! Eröffnen Sie den Diskurs. Warten Sie nicht, bis die Gemeinde als „irritiertes System“ erkennbar wird.

Unterstützen Sie zuerst und langfristig die sich mitteilenden Betroffenen.

Suchen Sie proaktiv weitere Betroffene - an Orten, an denen identifizierte Täter tätig waren oder an die sie versetzt wurden. - durch öffentliche Aufrufe innerhalb und außerhalb der Kirche. Viele Betroffene haben die Kirche aufgrund ihrer Erfahrungen verlassen.

Beteiligen Sie Betroffene frühzeitig an Aufarbeitungsformaten.

Üben Sie echte und ehrliche Fürsorge für die Betroffenen. Diese muss über ein einmaliges „Seelsorgegespräch“ hinausgehen.

Seien Sie machtsensibel. Kommunikation gelingt auf Augenhöhe und mit Empathie.

Lassen Sie sich vom Staat helfen, indem Sie von Ihrem verfassungsrechtlich garantierten institutionellen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen und ihn darum bitten. Eine Institution kann sich nicht selbst aufarbeiten.

Gliedern Sie die Militärseelsorge aus der regionalen Aufarbeitung aus.

Begrenzen Sie den Zeitrahmen für die Aufarbeitung, damit die Betroffenen sie noch erleben.

Nutzen Sie die Expertise Betroffener für Prävention und Aufarbeitung - diese wissen Bescheid.

Rehabilitieren Sie Hinweisgeber. Prävention braucht die Bereitschaft, hinzuschauen und aktiv zu werden.

Investieren Sie in Bildungsangebote im Bereich Prävention. Schutzkonzepte brauchen Menschen, die sie mit Leben füllen.

Wählen Sie traumasensible Ansprechpersonen aus , die Meldungen entgegennehmen und Betroffene anhören.

Setzen Sie sich für deutlich höhere Zahlungen an Betroffene ein. Das Bistum Dresden-Meißen hat derzeit von allen Diözesen die zweitniedrigsten durchschnittlichen „Anerkennungsleistungen“.

Fördern Sie die Vernetzung Betroffener.


Wir wollen:

+ Kinder und Jugendliche schützen

+ sexuellen und spirituellen Missbrauch verhindern

+ Schweigen brechen, Vertuschen beenden

+ Erfahrungsexpertise in Prävention, Intervention und Aufarbeitung einbringen

+ nachhaltige institutionelle Aufarbeitung

+ Hilfen/Kontakte vermitteln

+ Empowerment, Vernetzung und Informationsaustausch fördern

+ Vorurteile gegenüber Betroffenen abbauen helfen

+ Unterstützung anderer Betroffener

+ Recht auf Aufarbeitung

+ Einbringen der Sicht Betroffener

+ professionelle, traumasensible Pastoral als Teil der Erneuerung der Kirche

Aufarbeitung mit Kirche und Staat - JETZT!


Weiterlesen
Initiativgruppe Betroffener Initiativgruppe Betroffener

Mit einer Kunstaktion setzen wir ein Zeichen zum Beginn der Deutschen Bischofskonferenz am 27.2.23 in Dresden

Einblicke in unsere Aktion in Bild und Text.

Unsere “Klagemauer”

Neben guten Gesprächen mit Passant*innen sowie Pressevertreter*innen kamen einige Menschen extra auf uns zu, um uns ihre Solidarität zu bekunden. Dagegen war noch fast kein echter Bischof in Sichtweite oder gar zum Gespräch bereit. Ein tiefgründiges Gespräch führten wir mit Frau Dr. Gilles von der Deutschen Bischofskonferenz.

In Aktion: unsere “Klagemauer” sowie die Mitmachaktion “Topflappen häkeln für die deutschen Bischöfe”, damit diese endlich wagen ihre “heißen Eisen” anzupacken.

Am Stand hatten wir neben dem "Bischof im Nebel"-Plakat, auf dem ein echter erzgebirgischer Räucherbruder-Bischof war, noch einen weiteren Pseudobischof zeitweise am Stand sitzen. Die Presse haben wir immer sofort auf das "Pseudo-" hingewiesen und sie waren garnicht überrascht.

Unterstützung erhielten wir von Aktiven anderer in Deutschland tätigen Initiativen und gemeinsam bleiben wir dran auf die Wichtigkeit der Aufarbeitung von Missbrauch hinzuweisen!

Aufarbeitung mit Kirche und Staat - JETZT!


Weiterlesen
Initiativgruppe Betroffener Initiativgruppe Betroffener

Gründung eines bundesweiten Netzwerkes von Betroffenen

Wir beteiligen uns am Gründungsprozess des bundesweiten Netzwerkes und arbeiten dafür in den Austauschgruppen mit.

SAVE THE DATE:

“Am 11. Januar 2023 startet unser Aufruf zur Beteiligung am Gründungsprozess eines bundesweiten Netzwerks von Betroffenen für Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend

Worum geht es?
Entstehen soll das bundesweite Netzwerk „aus-unserer-sicht“ von Betroffenen für Betroffene sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend. Das Netzwerk ist gedacht als eine Plattform und öffentliche Stimme von Betroffenen. Ziel ist die Partizipation einer Vielzahl und Vielfalt von Betroffenen politischen und institutionellen Strukturen, in Aufarbeitung und Forschung. Die Beteiligung von Betroffenen in allen gesellschaftlichen Bereichen trägt zu einem gesellschaftlichen Wandel und zu einer Kultur des Hinsehens und Handelns bei. 

Wer sind wir?
Gesteuert wird der Gründungsprozess durch eine Kerngruppe, die sich aus langjährig aktiven Betroffenen zusammensetzt. Die Idee des Netzwerks ist auf die beiden Mit-Sprache-Kongresse des Betroffenenrates bei der UBSKM zurückzuführen.

Träger der Planungsphase ist der Verein N.I.N.A., der sich bereits seit Jahrzehnten auf vielen verschiedenen Ebenen dafür einsetzt, die Situation Betroffener und den Schutz von Mädchen* und Jungen* vor sexualisierter Gewalt zu verbessern.

Wer kann sich beteiligen?
Betroffene aus unterschiedlichen Tatkontexten, Lebenswirklichkeiten und unterschiedlichen Alters ab 16 Jahren.  Wir wünschen uns, dass viele Betroffene mitmachen!

Wir fühlen uns den Menschenrechten verpflichtet und erwarten einen respektvollen, achtsamen und wertschätzenden Umgang miteinander.

Wo können Sie sich informieren und was können Sie tun?
Auf unsere Homepage www.aus-unserer-sicht.de finden Sie viele weitere Hintergrundinformationen. Ab 11.01.2023 ist ein Fragebogen zum Aufruf online, auch in Leichter Sprache und Deutscher Gebärdensprache (DGS).Damit beginnt der Beteiligungsprozess.

Wir freuen uns, wenn Sie jetzt schon vorbeischauen, sich informieren und andere auf unser Vorhaben aufmerksam machen, z. B. indem Sie das Save the Date über Ihre eigene Homepage, Social-Media-Kanäle, Newsletter… teilen. Vielen Dank!

Wollen Sie regelmäßig über unsere Aktivitäten auf dem Laufenden sein?
Dann abonnieren Sie unseren Newsletter auf unserer Homepage www.aus-unser-sicht.de  oder folgen Sie unserem Twitter-Kanal https://twitter.com/ausunsererSicht

Wer hilft mir weiter, wenn ich vor dem 11. Januar 2023 schon Fragen habe?”

Wenden Sie sich mit Ihren Fragen an folgende Adresse: mail@aus-unserer-sicht.de

Weiterlesen
Initiativgruppe Betroffener Initiativgruppe Betroffener

Katholische Gemeinde in Riesa beginnt Missbrauch-Aufarbeitung

Wir bleiben dran und bringen selbständig die Aufarbeitung unserer durch Priester erlebten Missbrauchsfälle voran!

Die katholische Nachrichtenagentur (KNA) berichtet:

In der katholischen Pfarrei Sankt Barbara in Riesa hat die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs durch einen Geistlichen in den 1960er Jahren begonnen. Am Dienstag fand ein Informationsabend im Gemeindesaal statt, auf Initiative eines Betroffenen, der Mitglied der Gemeinde ist und seinen Fall öffentlich machte. Fachlich unterstützt wurde er dabei von der Initiativgruppe "Aufarbeitung von unten".


Vor rund 40 Zuhörerinnen und Zuhörern, meist älterer Jahrgänge, sagte er: "Es geht mir nicht darum, der Kirche zu schaden oder sie gar zu vernichten. Dieser Abend ist ein Mosaikstein, der der Kirche die Chance eröffnet, was sie tun sollte, um verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen." An alle appellierte er, in Familien wie Kirchengemeinde sensibel und achtsam für das Thema zu werden und mitzuwirken an einer Atmosphäre, dass darüber auch gesprochen werde.


In dem Fall geht um einen 2015 verstorbenen Priester, dem sexueller Missbrauch an seinen Neffen und an Messdienern vorgeworfen wird. Der Beschuldigte war von 1964 bis 1992 als Priester in Sachsen tätig. In Riesa war er zuvor als Diakon eingesetzt. Im Alter von 59 Jahren trat er in den Ruhestand und zog 1994 von Sachsen ins Emsland nach Werlte-Wieste, wo er bis zu seinem Tod lebte. Die staatlichen Ermittlungen, die nach einer Strafanzeige 2012 durch das Bistum Dresden-Meißen erfolgten, wurden wegen Verjährung eingestellt.


Der Personalchef des Bistums, Ulrich Dombrowski, der stellvertretend für Bischof Heinrich Timmerevers an dem Abend teilnahm, betonte auf Nachfrage, der Beschuldigte sei "unstrittig ein Täter" gewesen. Weiter hob Dombrowski hervor: "Wenn ein Betroffener seine Erlebnisse und das Verbrechen öffentlich macht, ist er kein Nestbeschmutzer. Die Gemeinde sollte ihm für seinen Mut danken." Es gehe nun darum, gemeinsam einen Weg zu suchen und zu gehen, damit sexuelle Gewalt in der Pfarrei möglichst nie wieder geschehe. Das Bistum habe die "uneingeschränkte Bereitschaft", solche Fälle wahrzunehmen, Hilfen zu geben und Schutzmaßnahmen voranzutreiben.


Der Betroffene berichtete, dass es nach anfänglichen Zusagen von Bistumsverantwortlichen, eine Aufarbeitung in Riesa anzugehen, keine Reaktionen mehr gegeben habe. Daraufhin sei er es selbst angegangen und habe sich an den Ortskirchenrat gewandt, der das Anliegen positiv angenommen habe.


An dem Abend gab es mehrere kurze Referate etwa zur Frage, wann sexuelle Gewalt beginnt, was Täter-Strategien sind, was betroffene Kinder brauchen und worauf das institutionelle Schutzkonzept der Pfarrei den Fokus legt. Auch ein Vertreter des Betroffenenbeirats Ost berichtete von seiner Arbeit. Er offenbarte, dass auch er von demselben Geistlichen, der in Riesa tätig war, missbraucht worden sei. Im Bistum Dresden-Meißen ist Riesa nach Heidenau und Hainichen die dritte Pfarrei, in der eine öffentliche Aufarbeitung von Missbrauchsfällen auf Gemeindeebene begonnen hat.

Weiterlesen
Initiativgruppe Betroffener Initiativgruppe Betroffener

Herzliche Einladung zur nächsten Frauenzeit am 28.9.22

Der Abend steht diesmal unter dem Motto „Fragen ist Silber, Reden ist Gold“ und wir wollen gemeinsam auf das Thema Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt schauen.

“Liebe Frauen,

 

nochmals möchte ich Sie heute herzlich auf die nächste Ausgabe der Frauenzeit aufmerksam machen und dazu einladen. Sie findet am kommenden Mittwoch, dem 28. September 2022 ab 20:00 Uhr statt.

 

Der Abend steht diesmal unter dem Motto „Fragen ist Silber, Reden ist Gold“ und wir wollen gemeinsam auf das Thema Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt schauen. Wie immer wird der Austausch von Erfahrungen, Gedanken und Eindrücken sowie das wechselseitige Hören von- und aufeinander im Mittelpunkt stehen. Der Impuls für unseren Austausch kommt diesmal von Christiane Gläser. Sie arbeitet als Pädagogin in Leipzig und engagiert sich als Referentin und Fortbildnerin in der Präventionsarbeit. Außerdem ist sie engagiertes Mitglied der Initiativgruppe „Aufarbeitung von unten“.

 

Wenn Sie sich anmelden möchten, schicken Sie mir einfach einen kurzen Hinweis per Mail.
Wie immer erhalten Sie dann den Link zur ZOOM-Konferenz.

 

Gern können Sie die Einladung auch an andere Frauen weiterleiten. Die Veranstaltung ist offen für alle Interessierten.”

 

Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende",
Daniela Pscheida-Überreiter

https://www.bistum-dresden-meissen.de/aktuelles/zoom-konferenz-frauenzeit-am-28-09

Weiterlesen
Initiativgruppe Betroffener Initiativgruppe Betroffener

„Fragen ist Silber, Reden ist Gold.“

Ja wieso, muss es denn nicht heißen: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?“ So hat es doch immer schon geheißen! Ja! Auch immer schon hat das eine unsagbare Last bedeutet, als Schweigegebot für sexuell missbrauchte Kinder und Erwachsene. „Darüber darfst du zu niemandem ein Sterbenswörtchen sagen! Sonst…“ Da soll Schweigen Gold sein?

Was hätten Sie sich als betroffenes Kind von den Erwachsenen im familiären und sozialen Umfeld gewünscht oder gebraucht?

Erschreckender Weise waren es bereits Grundbedürfnisse, die ungestillt blieben, was den späteren sexuellen Missbrauch begünstigte. Meine Eltern waren im Stande, meine physiologischen Grundbedürfnisse nach Nahrung, Obdach, Schlaf etc. zu stillen. Anders bei den Sicherheitsbedürfnissen: statt Schutz und Stabilität im Elternhaus, schufen übermäßige Strenge unbedingter Gehorsam, Leistungsdruck, Angst vor Ärger und körperlicher Bestrafung eine freudlose Grundstimmung in meiner Herkunftsfamilie. Die kühle, nachtragende Mutter wirkte von ihren familiären Aufgaben, zusätzlich zum Beruf, überfordert, während der Vater dienstlich viel im Krankenhaus war und das häusliche Regime maßgeblich prägte.

Gebraucht hätten wir Kinder ausgeruhte, entspannte Eltern, deren Wärme, Mitgefühl und spürbare Liebe. Mehr Zeit für Gespräch und Nachfrage, wie es uns Kindern geht, was uns beschäftigt, hätten die gemeinsamen Mahlzeiten geboten. Stattdessen trainierten wir Tischmanieren, hörten still elterlichen Gesprächen über tagsüber operierte Varizen zu und erlebten, dass unser Vater es als Angriff empfand, wenn wir in einer Sache anderer Meinung waren als er.

Was die Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls unterstützt hätte, wären die Achtung unserer Meinungen und Grenzen, angemessene körperliche Nähe, Geduld, Ermutigung und Wertschätzung gewesen. Tabuisierung und fast tägliche Herabwürdigung erlebte ich im Hinblick auf mein Bettnässen. Ich durfte nicht einmal wissen, dass mein Vater als Junge selbst Bettnässer gewesen war. Wie hätte es mir in meiner Scham und Verzweiflung geholfen zu erfahren, dass ich nicht als Einzige diesen Makel trug und hoffen durfte, irgendwann immer in einem trockenen Bett zu erwachen.

Einmal hatte ich das Glück, dass die älteste Schwester meines Vaters sich für mich einsetzte, als ich mir die Knie aufgeschlagen und die Strumpfhose zerrissen hatte. Da ging sie schon mal vor, beichtete das Malheur, so dass der anschließende Ärger für mich gemäßigter ausfiel. Hilfreiche Erwachsene wünsche ich allen Kindern: Erwachsene mit dem Mut, sich in das geschlossene System Familie einzumischen, wenn es den Kindern dort nicht gut geht. Dazu wünsche ich ihnen Eltern, die ihr Verhalten reflektieren, sich bei Überforderung Hilfe holen und mit ihren Kindern im Gespräch bleiben.

Was ich mir von Erwachsenen in Familie und sozialem Umfeld gewünscht hätte: eine offene Gesprächsatmosphäre sowie Aufklärung darüber, dass es Väter, Mütter, Verwandte, Bekannte, Lehrerinnen und Lehrer, Priester, Trainerinnen und Trainer, Fremde gibt, die Kindern Dinge antun, die verboten sind, was sexualisierte Gewalt ist, dass jede/r sich dagegen wehren und Hilfe holen darf. Hätte ich außerhalb des Elternhauses jemanden gewusst, dem ich alles hätte anvertrauen können! Wäre mir klar gewesen, dass es nichts auf der Welt gibt, das für immer zu verschweigen ist. Hätte ich den Unterschied zwischen guten und blöden Geheimnissen gekannt! Hätte ich nur gewusst, dass stets der missbrauchende Erwachsene für sein Handeln verantwortlich ist, niemals aber das missbrauchte, geschädigte Kind Schuld am sexuellen Missbrauch trägt. Vielleicht wäre ich wehrhaft gewesen und hätte viele Jahre früher über die Missbräuche gesprochen?

Der kleinen Christiane von damals hätte ich einen hilfreichen Erwachsenen gewünscht, der ihr diese Frage gestellt hätte: „Passiert dir zu Hause etwas, dass sich komisch oder falsch anfühlt und das du niemandem erzählen darfst?“

Was hat sich für Kinder, die heute von sexualisierter Gewalt betroffen sind, in den letzten Jahren verändert?

Hat sich der Rahmen für ein geschütztes Aufwachsen von Kindern in Deutschland verbessert? Das Thema begegnet ihnen in Kindergarten und Schule, in Kinderbüchern, Präventionstheaterstücken und Medien. Dadurch werden sie in ihrer Wahrnehmung und Sprachfähigkeit bestärkt. Sie lernen, dass Kinder Rechte haben, welche Erwachsene achten müssen. Zugleich wird Letzteren bewusster, dass sexualisierte Gewalt ein immenses gesamtgesellschaftliches Problem darstellt, das in jedem Kontext und jeder sozialen Schicht existiert.

Die Frage von Lehrerinnen „Christiane, wieso guckst du immer so traurig?“ begleitete mich durch die Grundschulzeit. Weder konnte ich sie beantworten, noch bemerkte ich, ob meine Lehrerinnen versucht haben, den Grund zu erfahren.

Heute wird es selbstverständlicher neben der Leistungsfähigkeit in der Schule auch die körperliche und seelische Gesundheit der Kinder wahrzunehmen. Seit einigen Jahren ist das Missbrauchsthema fester Bestandteil von Aus- und Fortbildung pädagogischer Fachkräfte. Hilfreiche Informationen zum Thema sexualisierte Gewalt, wann Erwachsene hellhörig werden sollten und wo sich Hilfe holen lässt, sind jedem zugänglich.

Im öffentlichen Raum lesen wir von kostenfreien, anonymen Nummern von Hilfetelefonen und Online-Beratungen. Spots auf Bildschirmen des ÖPNV, Aufkleber auf Schultoiletten, sachliche, kindgemäße TV-Beiträge klären über Möglichkeiten auf, Missbrauch zuerkennen. Diesen zu beenden, Kinder zu schützen und heilsam zu begleiten, bleibt Pflicht von uns Erwachsenen.

Sind Kinder in unserem Land heutzutage seltener sexualisierter Gewalt ausgesetzt? Im Gegenteil. Cybergrooming sowie Herstellung und Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen im Internet nehmen zu, Missbrauchende werden brutaler und vergreifen sich an immer jüngeren Babys und Kindern, sexualisierte Gewalt unter Minderjährigen nimmt zu.

Was fordern Sie von den EntscheidungsträgerInnen in Regierungsverantwortung, kommunaler Ebenen und Institutionen, damit Kinder vor sexualisierter Gewalt geschützt sind und schneller Hilfe bekommen?

Sexueller Kindesmissbrauch verursacht neben den individuellen, oft lebenslangen Schädigungsfolgen auch einen riesigen finanziellen Schaden, welcher von der Allgemeinheit getragen wird. Therapiekosten, Erwerbsminderungsrenten, finanzielle Hilfen aufgrund eingeschränkter Erwerbsfähigkeit als Missbrauchsfolge usw. lasten auf den Schultern der Gesamtbevölkerung.

Das Bewusstsein, dass die Allgemeinheit für Schäden aufkommt, die durch die Verbrechen sexueller Gewalttäter verursacht werden, sollte geschärft werden.

Nehmen Sie Betroffene als Experten ernst, beschäftigen Sie sie in Expertenteams mit nicht Betroffenen und installieren Sie diese Teams auf Bundes- und Länderebene und in Institutionen.

Nutzen Sie das Wissen Betroffener um tatbegünstigende Voraussetzungen sowie die defizitäre Versorgung bereits missbrauchter Menschen.

Statten Sie Fachberatungs- und Anlaufstellen mit ausreichend Personal für zeitnahe Interventionen und Beratungen aus. Fördern Sie Forschung, Aus- und Weiterbildung in Kinderschutzthemen, stellen Sie Schulsozialarbeit, therapeutische Versorgung und Ermittlungsbehörden flächendeckend auf eine solide Basis.

Stellen Sie in jedem Fall die Sorge um die Sicherheit der Kinder, Jugendlichen, schutzbefohlenen Erwachsenen vor den Schutz der Institution. Greifen Sie als Staat in die rechtliche Autonomie der Kirchen ein.

Schaffen Sie flächendeckend interdisziplinäre Beratungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt sowie für deren Familien und das soziale Umfeld. Unterstützen Sie Tat-Familien, die als „irritiertes System“ nach der Katastrophe sexueller Missbrauch sich selbst überlassen sind, bei der Bewältigung der Tatfolgen.

Sicher sollten Initiativen wie „Kein-Täter-Werden“ gefördert und ausgebaut werden. Zu dieser Thematik bin ich jedoch nicht aussagefähig.

Weiterlesen
Initiativgruppe Betroffener Initiativgruppe Betroffener

Offener Brief zur institutionellen Aufarbeitung

„Nicht-Entwicklung“ beschreibt den Stand der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den katholischen (Erz-)Bistümern Dresden-Meißen, Berlin, Görlitz und Militärbischofsamt derzeit wohl am treffendsten. Wenige katholische Gemeinden wagten bisher, das Ungeheuerliche bei Lichte zu betrachten und sich ihrer ambivalenten, schmerzvollen Historie offen zu stellen. Sie sind nun gefordert auszuhalten, was da an Furchtbarkeiten, Wunden, Schädigungsfolgen, Tatbegünstigendem, Verschwiegenem einerseits sowie Verehrung, Dankbarkeit, Prägung, Zweifel und Parteinahme andererseits bekannt geworden ist. Wie ist es möglich, mit all dem umzugehen und Bedürftigkeiten achtsam zu berücksichtigen? Einen Katalog von Notwendigkeiten und Leitlinien zur institutionellen Aufarbeitung sexualisierter und spiritueller Gewalt haben Betroffene und Mit-Betroffene der Initiativgruppe „aufarbeitung-von-unten.de“ entwickelt. Wir stellen Sie Ihnen hier zur Verfügung.

Sehr geehrte Damen und Herren,

im folgenden Schreiben richten wir uns als Initiativgruppe im Bistum Dresden-Meißen an Sie. Hiermit informieren wir Sie auszugsweise über den Stand unserer Arbeit hinsichtlich der Aufarbeitung von Fällen sexuellen und/oder spirituellen Missbrauchs im katholischen Kontext des o.g. Bistums.

Folgende Anliegen, Notwendigkeiten und Empfehlungen richteten wir an die Leitung des Bistums Dresden-Meißen, namentlich an Herrn von Spies. Nun geben wir sie Ihnen zur Kenntnis und empfehlen sie Ihnen zur Berücksichtigung in Ihren Gemeinden und Kontexten. Eine Zusammenarbeit mit Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, ist für uns unter der Voraussetzung denkbar, dass Sie sich klar auf Seite der Missbrauchsbetroffenen positionieren, statt die Institution zu schützen. Treten Sie gern in Kontakt mit unserer ehrenamtlich arbeitenden Initiativgruppe.

Mit Schreiben vom 24.01.2022 trat der Justitiar des Bistums Dresden-Meißen erstmals inhaltlich in direkten Kontakt mit der „Initiativgruppe für Aufarbeitung, Aufklärung und Prävention sexuellen und/oder spirituellen Missbrauchs im katholischen Kontext“ im Bistum Dresden-Meißen. Die Beantwortung der Anliegen seines Schreibens mit der Frage nach Anmerkungen, Perspektiven und konstruktiven Hinweisen haben wir zur Diskussion ins Plenum gestellt und veröffentlichen hiermit unsere zentralen Anliegen und Anforderungen an die Aufarbeitung und Prävention im Bistum Dresden-Meißen sowie den zum Zwecke der Aufarbeitung angeschlossenen Bistümern Berlin und Görlitz einschließlich des Militärbischofsamtes.

Generell lässt noch immer ein glaubhafter, unüberhörbarer, unmissverständlicher Aufruf von Herrn Bischof Timmerevers auf sich warten, Betroffene mögen sich bitte melden, damit sie erstens unterstützt werden können und zweitens umfangreich in den Gemeinden aufgeklärt und aufgearbeitet werden kann. Dass dann die Fürsorge für die Betroffenen an erster Linie stehen muss, steht außer Frage, und diese muss über ein einmaliges „Seelsorgegespräch“ hinausgehen!

Von dieser Fürsorge sind wir im Bistum Dresden-Meißen weit entfernt, und es gilt, in Zusammenarbeit mit Missbrauchsbetroffenen auszuloten und festzuhalten, wie Betroffenenfürsorge aussehen kann und soll.

Genannter und dringlich empfohlener Aufruf von Herrn Timmerevers muss auf wirklich allen denkbaren zur Verfügung stehenden Kanälen verpflichtend in allen Gemeinden, Gemeinschaften etc. veröffentlicht werden. Hartnäckig hält sich der Eindruck, seitens der Bistumsleitung würde das Thema sexualisierter Gewalt nur dann aufgegriffen, wenn es sich wirklich nicht mehr vermeiden lässt. Bitte tragen Sie dazu bei, dass diese „Salamitaktik“ unterbunden wird und handeln Sie reflektiert offensiv. Als vertrauensbildende Maßnahme halten wir das für grundlegend sowie unerlässlich, um in den Pfarreien die Voraussetzungen für den achtsamen Umgang mit den Betroffenen und Mit-Betroffenen zu schaffen. Zusätzlich wüchse dadurch der Erwartungsdruck auf Täter und Täterinnen, entdeckt zu werden, was eine wichtige Präventionsmaßnahme wäre.

Um nur die anstehende Aufarbeitung in der Riesaer Gemeinde zu erwähnen, empfehlen wir Ihnen, die Betroffenen direkt und empathisch nach deren Vorstellungen zum Format der Aufarbeitung zu fragen. Mit den in Heidenau und Hainichen angestrengten Aufarbeitungsprozessen wurden und werden zwei sehr verschiedene Wege beschritten, die nicht ohne Weiteres auf andere Missbrauchsfälle mit anderen Betroffenen, in anderen Gemeinden, durch andere/selbige Täter übertragen werden können.

Unserer Meinung nach bedürfen die Aufarbeitungsprozesse

  • an erster Stelle der Empathie mit den Missbrauchsbetroffenen, sowie der Achtung und Wertschätzung für deren (Über-)Lebensleistung

  • des absoluten Anerkennens und Glaubens der Darstellungen der Betroffenen, auch wenn anders lautende (kirchen-) juristische Urteile gefällt worden sind

  • einer langen, intensiven Vorbereitung unter Anwesenheit und maßgeblicher Beteiligung der Missbrauchsbetroffenen

  • der Einbeziehung der aktuell in der Gemeinde agierenden Verantwortungsträger,

  • der Einbeziehung der Bistumsleitung

  • sowie unbedingt der Unterstützung durch eine auf sexualisierte Gewalt spezialisierte, kirchenexterne Fachberatungsstelle.

Für den anstehenden Prozess in Riesa und jeder weiteren Gemeinde gilt es außerdem, das, was an Widerstand aus der Pfarrgemeinde kommen könnte, vorwegzunehmen und den Umgang damit vorzubereiten. Dafür ist es unabdingbar, den Missbrauchsbetroffenen eine fachliche und zusätzlich seelsorgerliche Unterstützung zu gewährleisten, welche eine Gemeindereferentin/ein Gemeindereferent, eine Fachberaterin/ein Fachberater, ein Pfarrer garantieren sollte.

Unverkennbar muss sich die Bistumsleitung stärkend und eindeutig an der Seite der Betroffenen positionieren. Fragen Sie zuerst die Missbrauchsbetroffenen, wen sie zur Unterstützung an ihrer Seite benötigen.

Ebenso selbstverständlich wie die Vertreterin der Fachberatungsstelle Shukura in Dresden ein Honorar für ihre fachberatende Tätigkeit und Moderation im Aufarbeitungsprozess in Heidenau erhalten hat, soll auch die beratende Tätigkeit und Fachexpertise der jeweils involvierten Betroffenen vergütet werden. Wie Sie wissen, sind zahlreiche Missbrauchsbetroffene lebenslang eingeschränkt erwerbsfähig, dauerhaft krank und leben oft nahe der Armutsgrenze. Durch ihre Aktivität im Aufarbeitungsprozess gefährden sie unter Umständen ihre mühevoll stabilisierte Verfassung, wie am Aufarbeitungsabend sowie im – prozess in Heidenau überdeutlich wurde. Es ist sowohl eine Frage der Existenzsicherung, der Wertschätzung sowie der Gleichbehandlung, die Anstrengungen finanziell zu honorieren. Fragen Sie zuerst die involvierten Betroffenen, welche Form der Honorierung sie benötigen und bieten Sie Konkretes an, das über die Ehrenamtsvergütung hinaus geht.

Wer wollte für richtig und gerecht befinden, dass die größte Anstrengung in der von Kirchenmitarbeitenden zu leistenden Aufarbeitung unentgeltlich und ehrenamtlich von den Betroffenen selbst zu tragen sei? Bedenken Sie darüber hinaus, dass die Institution Kirche, die auch im Bistum Dresden-Meißen außer Stande war, Mitarbeitende von sexuellen Verbrechen abzuhalten, nun der Unterstützung ihrer Opfer bedarf, um verursachtes Leid und dieses begünstigende Strukturen aufzudecken und für Gegenwart und Zukunft hilfreiche Schlüsse daraus zu ziehen.

Unsere Einsichten, Perspektiven, Forderungen speisen wir mit Kraftaufwand in die kirchliche Aufarbeitung ein, sind zur Zusammenarbeit mit betroffenen Gemeinden bereit, damit aufhört und ans Licht kommt, was allzu lange verdrängt und vertuscht wurde oder weitergeht. Warten Sie nicht, ob und wann eine Gemeinde als „irritiertes System“ erkennbar wird, eröffnen Sie den Diskurs. Unterstützen Sie als allererstes und langfristig die sich mitteilenden Betroffenen. Im Moment scheint es so, dass sich der Betroffenen zum Zwecke der Aufarbeitung „bedient“ würde. Verstehen Sie den Unterschied, den wir versuchen, zu beschreiben?

In jedem Fall unterstützt die Initiativgruppe die Idee, den Gemeinden, Gruppierungen und Institutionen des Bistums Dresden-Meißen unsere Expertise und unsere Forderungen an die institutionelle Aufarbeitung als Leitlinien und zur Orientierung an die Hand zu geben. Hiermit kommunizieren wir diese den Verantwortlichen und der Öffentlichkeit.

In diesem Sinne korrigieren wir hiermit die Annahme, unsere Initiativgruppe widme sich der persönlichen Aufarbeitung. Unser erklärtes Ziel ist die institutionelle Aufarbeitung im Tatkontext Bistum Dresden-Meißen, in den Pfarreien und Gemeinschaften sowie den katholischen Familien. Letztere scheinen im Bistum Dresden-Meißen bisher komplett ausgeblendet zu bleiben.

Im Bearbeiten gleicher Anliegen und Verfolgen der gleichen Ziele sind Sie und wir ungeübt miteinander. Möglich, dass sich in Ihnen während der Auseinandersetzung mit unseren Anliegen Widerstände, Abwehr, Anmerkungen, neue Ideen auftun. Für fairen Austausch und aufrichtige Weiterarbeit an der institutionellen Missbrauchsaufarbeitung kontaktieren Sie uns gern.

Der derzeitige Stand der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den o. g. Bistümern hinterlässt bei uns den Beigeschmack „schlechter Nachrichten“ und „Nicht-Entwicklungen“, da die Auskünfte unkonkret und bereits Vorbedingungen unerfüllt bleiben. Weiterhin stellen wir die folgenden Fragen an die Bistumsleitungen:

  • Wann wird die interdiözesane Aufarbeitungskommission die Arbeit aufnehmen?

  • Welche Institutionen entsenden Mitglieder in die Kommission und wer sind diese Personen?

  • Unseres Wissens hatte sich der Betroffenenbeirat mangels Mitgliedern bis Anfang März 2022 nicht einmal konstituiert, kein Wunder angesichts des Auswahl- bzw. Berufungsverfahrens. Wie heißen die Mitglieder des Auswahlgremiums für die Besetzung des Betroffenenbeirates?

  • Wodurch qualifizieren sich die Mitglieder der Auswahlkommission für ihre Aufgabe? Durch „unabhängige Nähe“ zur katholischen Kirche?

  • Wer sind die Mitglieder des Betroffenenbeirates, welche die Betroffenenperspektive repräsentieren werden?

  • Inwieweit sind die Betroffenen der Bistümer Görlitz, Dresden-Meißen, Berlin und Militärbischofsamt paritätisch nach Herkunft, Tatkontext, Geschlecht im Betroffenenbeirat repräsentiert?

  • Welche Tätigkeitsbeschreibung wird/wurde den Betroffenenvertreterinnen und -vertretern übergeben?

  • Welche Ressourcen und Infrastruktur stellen Sie den Mitgliedern des Betroffenenbeirates für deren Tätigkeit zur Verfügung?

  • Wie werden der zu erwartende Zeit- und Kraftaufwand für die Mitglieder des Betroffenen- rates honoriert, deren Tätigkeit mit üblichem „Ehrenamt“ kaum vergleichbar sein wird.

Mit Bestürzung haben wir die Nachricht aufgenommen, dass auch im achten Jahr nach Inkrafttreten der rechtlich bindenden Ordnung in einem Großteil der Gemeinden Institutionelle Schutzkonzepte nicht auffindbar sind. Vor allem in den sorbischen Pfarreien des Bistums - so der bislang nicht widerlegte Eindruck - scheint das Thema Prävention überhaupt noch nicht angekommen zu sein. Das fatale Signal völliger Ignoranz gegenüber der Missbrauchsthematik gefährdet die Sicherheit von Kindern und anderen Schutzbefohlenen. Es erscheint uns notwendig, dass die Pfarreien bei der Erstellung von Schutzkonzepten aktiver Unterstützung erfahren als bisher. Das erfordert neben einer klaren Haltung die Bereitstellung von mehr fachlichen und finanziellen Ressourcen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in erster Linie erwarten wir im Namen Betroffener und Mit-Betroffener sexuellen und spirituellen Missbrauchs endlich Handlungen, welche die Aufarbeitung voran bringen, und Präventionsmaßnahmen und -angebote, die den Schutz von Kindern und anderen Schutzbedürftigen vor sexualisierter und spiritueller Gewalt gewährleisten. Wir sind aufmerksam gespannt und bleiben unsererseits aktiv in der Aufarbeitung, Aufklärung und Präventionsarbeit. Es bleibt noch viel zu tun. Antworten Sie uns bitte gern an die genannte E-Mail-Adresse.

Mit freundlichen Grüßen
Christiane Gläser

i. V. der Initiativgruppe für Aufarbeitung, Aufklärung und Prävention sexuellen und/oder spirituellen Missbrauchs im katholischen Kontext

Weiterlesen
Initiativgruppe Betroffener Initiativgruppe Betroffener

Aufruf

Aufruf zur Mitarbeit und Unterstützung der Initiativgruppe Betroffener sexuellen und/oder spirituellen Missbrauchs im Bistum Dresden-Meißen

Raus aus dem Schweigegebot!

Ran an die Nestentschmutzung!

Weiter mit der Aufarbeitung!

Aufruf zur Mitarbeit und Unterstützung der Initiativgruppe Betroffener sexuellen und/oder spirituellen Missbrauchs im Bistum Dresden-Meißen

IGB Aufarbeitung von unten

Im Laufe Ihres Lebens sind Sie sexualisierter und/oder spiritueller Gewalt ausgesetzt gewesen oder wurden bzw. werden im Rahmen Ihrer Tätigkeit mit derartigen Misshandlungen und deren Auswirkungen konfrontiert? Wir auch.

Unsere Betroffenheit ist sowohl die Schnittstelle als auch der Ausgangspunkt der „Aufarbeitung von unten“, welche wir für notwendig erachten und befördern.

Wir sind eigenständig, unabhängig und selbstorganisiert. Wir bieten uns als Ansprechpartner an und als Sprachrohr für Menschen, die als Kinder, Erwachsene, Schutzbefohlene Opfer von sexualisierter und/oder spiritueller Gewalt geworden sind.

Wir befinden uns in unterschiedlichen Lebensphasen, kommen aus verschiedenen Berufsfeldern und verstehen uns nicht als Selbsthilfegruppe. Wir reden MIT Betroffenen und stellen Fragen:

Was brauchen Sie als Betroffene oder Betroffener?

Und was brauchen Sie von Ihrer Kirche?

In welche Lebenslagen sind Sie durch Täter oder Täterinnen unverschuldet gebracht worden?

An welchen Orten, in welchen Gemeinden fanden spirituelle und sexualisierte Gewalt statt und wo passieren sie heute?

Wer hat es gewusst, geahnt, befürchtet und weggeschaut?

Was haben die Misshandlungen mit Ihrem Glauben, mit Ihrem Gottesbild, mit Ihren Familien und Freundeskreisen gemacht?

Wie lässt sich das Schweigen beenden?

Wir rufen Sie auf, nehmen Sie persönlich, per E-Mail oder über unsere Homepage Kontakt mit uns auf. Bitte verbinden Sie sich mit uns und unterstützen Sie unsere Arbeit für die Belange Betroffener im Bistum Dresden-Meißen.

Bitte erzählen Sie weiter, dass es unsere Initiativgruppe gibt. Die Vernetzung Betroffener ist wichtig, damit die Aufarbeitung vorangebracht werden kann.

Weiterlesen
Holm Braeuer Holm Braeuer

Predigt - Berufung des Petrus

Dr. med. Cornelia Rödelsperger

Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, eine Predigt zu schreiben, die Mut macht. Mut, sich ansprechen und in Dienst nehmen zu lassen von diesem G`tt. Mut zum Aufbruch ins Ungewisse, geführt von G`ttes Hand. Ohne Erfolgsgarantie und ohne allgemein gültige Antworten. Mut, auf Menschen zuzugehen, die auf diesem Weg begegnen. Sich einzulassen auf Lebensschicksale und Lebenswege und mit auszuhalten …

Dr. med. Cornelia Rödelsperger

Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, eine Predigt zu schreiben, die Mut macht. Mut, sich ansprechen und in Dienst nehmen zu lassen von diesem G`tt. Mut zum Aufbruch ins Ungewisse, geführt von G`ttes Hand. Ohne Erfolgsgarantie und ohne allgemein gültige Antworten. Mut, auf Menschen zuzugehen, die auf diesem Weg begegnen. Sich einzulassen auf Lebensschicksale und Lebenswege und mit auszuhalten …

Mut zum Festhalten an der irren Hoffnung, dass dieser Weg am Ende ein guter sein wird – gegen alle Enttäuschungen und das Verzweifeln an mir selbst und an anderen.

Nun, das alles hätte ich heute gern aus diesem Evangelium herausgelesen und ich tue das auch noch immer.

Aber meine Gedanken gingen immer wieder andere Wege. Den Grund können Sie sich sicher vorstellen:

Dabei besteht das Erschütternde und Frustrierende gar nicht so sehr im Gutachten selbst. Das alles war längst nicht mehr neu und deshalb nicht überraschend. Neu waren die jetzt konkreten Zahlen. Und auch das kommt nicht unerwartet: Solche Zahlen konnten nur zustande kommen, weil Verantwortliche bewusst weggeschaut, geschwiegen und vertuscht haben.

Was wehtut und erneut erschüttert, ist der Umgang mit alldem. Wie bereits im Erzbistum Köln, jetzt wieder!

Warum können nicht auch andere, ähnlich wie Kardinal Marx vergangene Woche, zu ihrer Verantwortung stehen und offen sagen: Auch ich habe weggeschaut. Ich wollte Schaden abwenden. Stattdessen habe ich Täter geschützt und weitere Opfer nicht verhindert. Heute weiß ich es besser?!

Dann könnte ich die vorgebrachten Argumente vielleicht sogar gelten lassen, dass wir doch alle das Gefühl kennen, unvorstellbare Dinge besser nicht aussprechen zu wollen; dass wir alle schon einmal weggeschaut und geschwiegen haben, wenn Unrecht geschah – aus welcher Motivation heraus auch immer …

Aber so, wie ich das derzeit erlebe, sind all die hilflosen Versuche, zu erklären und zu entschuldigen, nur wieder ein neuer Schlag ins Gesicht all derer, die sich darum bemühen, an der Basis gute Arbeit zu machen, um Veränderungen ringen und die nach wie vor zum Evangelium und auch zu ihrer Kirche stehen. Und das tut weh!

Wagen wir einen Blick auf den Text:

Vielleicht ist es ihnen auch schon einmal aufgefallen: Bei Markus läuft die Berufung der ersten Jünger ganz anders:

Jesus sieht Simon und Andreas am See, geht auf sie zu und sagt: „Kommt her, folgt mir nach.“ Und sie gehen mit. So kann das gehen! Und vielleicht will Markus genau das sagen: Wer sich auf G`tt einlässt, muss mit so etwas rechnen. G`tt überfällt Menschen ganz unvermittelt und nimmt sie in Dienst. Und die Antwort kann sein: „Hier bin ich – sende mich!“ (Jes 6)

Bei Lukas braucht es da viel mehr Überzeugungskraft. Hier ist Petrus nicht so blauäugig. Denn er weiß offenbar um den großen Anspruch Jesu und die Schwierigkeit, dem gerecht zu werden. Er weiß um den langen Atem, den ein Menschenfischer G`ttes braucht und er kennt sich und sein Grenzen.

Und natürlich weiß Lukas, wie das mit Petrus weitergegangen ist: im Garten Getsemani, im Hof des Hohenpriesters und in der Apostelgeschichte …

Entsprechend fällt die Reaktion aus: „Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch.“ Das heißt: So wie ich bin – brüchig und unzuverlässig – tauge ich nicht für deine Sache. Die Antwort: „Fürchte dich nicht!“ Zusammen mit mir und für mich wirst du Menschen fangen.

Und auch bei Lukas steckt ganz sicher eine besondere Absicht dahinter, das so zu erzählen:

Mir scheint, er will sagen – genau solche Menschen braucht es! Menschen, die angesichts ihrer Grenzen und des langen Atems, den der Alltag braucht, Bedenken und nachvollziehbare Vorbehalte mitbringen.

Denn: Das sind Menschen, die wissen, sie kommen nicht in eigener Sache und in eigenem Namen. Und sie haben nicht auf jede Frage eine fromme Antwort parat.

Es sind Menschen, die ihre Schwächen kennen und fähig sind, an sich zu zweifeln und gelegentlich zu verzweifeln. Nicht solche, die sich aufgrund ihres Auftrages für etwas ganz Besonderes halten!

Das sind demütige Menschen, die nicht meinen, allein aus eigener Kraft irgendetwas zu bewirken. Und die deshalb all ihre Hoffnung und ihr Vertrauen in G`tt setzen. Und die ihr Scheitern nicht beschönigen oder vertuschen müssen!

Je tiefer ich mich da hineindenke und -fühle, um so absurder scheint mir das, was unsere Kirche derzeit beschäftigt. Da kann etwas ganz Grundlegendes nicht stimmen. Jedenfalls nicht mit Berufung auf dieses Evangelium!

Die einfachste Definition von Sünde, die mir bislang untergekommen ist, ist diese: „Menschen haben Rechte – also gibt es Gut und Böse.“ Das ist doch eigentlich ganz simpel!

Braucht es da wirklich Gutachten um Gutachten, damit gerade so viel eingestanden wird, wie ganz offensichtlich nicht mehr zu leugnen ist?!

Kirchenrechtliche Spitzfindigkeiten darüber, wie Missbrauch zu definieren ist und was davon mehr oder weniger Schuld bedeutet, sind absurd und verbieten sich von selbst!

Da entschuldigt sich ein Kardinal nicht etwa für seine Fehler, sondern dafür, dass das Kirchenvolk unter der Kritik an seiner Person zu leiden hat (Kardinal Woelki, Weihnachten 2020). Ich leide nicht darunter, dass Kardinäle und auch der emeritierte Papst in der Kritik stehen. Ich leide darunter, was solch ein Amtsverständnis mit dieser Kirche macht, die immer noch auch meine Kirche ist!

Und wie passt alles das zu dem Maßstab, mit dem die Kirche ihre Gläubigen und andere misst?

Mit dem sie z. B. Menschen, deren Ehe gescheitert ist, noch immer unbarmherzig einen Neuanfang verwehrt?

Oder erinnern wir uns an Sätze wie diesen: „Wer also die Eucharistie isst, obwohl er nicht zu unserer katholischen Kirche gehört, der versündigt sich am Leib Christi“ (Kardinal Meisner zum Thema Ökumene und Eucharistie; Fastenhirtenbrief 2002).

Wird in einer solchen Kirche wirklich glaubhaft der G`tt verkündet, der sich am Sinai unmissverständlich auf die Seite der Opfer gestellt hat? Der Gekreuzigte, der mit den Leidenden leidet?

Ich hoffe und ich bete darum, dass diese Krise die Kirche reinigt und zur Wahrhaftigkeit befreit. Befreit vom ewigen Kampf um den heiligen Schein und die makellose Soutane!

Ich träume von einer Kirche, die Menschen von Ängsten und falschen Zwängen befreit und heil werden lässt, an Leib und Seele.

Einer Kirche, in der man auch den Verantwortlichen glaubhaft anmerkt, es geht ihnen nicht um sich selbst und sie haben keine fertigen Antworten, die sie den Menschen überstülpen. Sie kommen mit leeren Händen, einem unverstellten Blick, einem fragenden Herzen und der Bereitschaft, mit den Menschen G`ttes Wege zu suchen und zu gehen.

Sie kommen im Namen G`ttes, der sie selbst angerührt und frei gemacht hat, ganz tief im Innersten.

Und ich bin (noch) nicht bereit, mir diesen Traum kaputtmachen zu lassen!

Es heißt, wenn viele gemeinsam träumen, kann ein Traum zum Beginn einer neuen Wirklichkeit werden. Tragen wir gemeinsam dazu bei!

Amen.

1. Lesung: Jes 6,1-2a, 3-8 Evangelium: Lk 5,1-11

Weiterlesen